Sonntagsgedanken
Auferstehungskraft
Gedanken zu Ostern 2025
Endlich ist Ostern! So spät erst in diesem Jahr, heute in der Nacht vom 19. auf den 20. April. Und mir ist das in den letzten Tagen, ja eigentlich Wochen, so gegangen, dass ich auf diesen Tag gewartet habe. Ich brauche endlich einen Lichtblick. Denn da war und ist viel Leid und Elend um uns herum, im Kleinen wie im Großen. Wir haben erst April und mussten uns schon von so vielen Menschen aus unserer Gemeinde verabschieden. Tod. Trauer. Viele Menschen sind unheilbar krank. Viele schreckliche Unfälle sind passiert.
Eigentlich braucht das alles Zeit und Raum. Es gibt und passiert so vieles, nach dem ich nicht sofort wieder zur Tagesordnung übergehen kann. Dazu kommt, dass die Unsicherheit wächst – sowieso und immer mehr. Und das leider überall: in der Kirche, in der Politik, in der Gesellschaft. Aus allen Bereichen gibt es so viele Beispiele dafür, dass Leben bedroht ist und das Frieden bedroht ist. Und: Der Einsatz künstlicher Intelligenz lässt Realität immer mehr verschwimmen. Die Frage nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit wird schwieriger … Was können wir noch glauben? Da werden uns Dinge als echt vorgegaukelt, die es gar nicht sind. In den sozialen Medien tauchen mehr und mehr Fotos und Videos und auch Texte auf, die wenig bis keinen Wahrheitsgehalt haben.
Vor dem Hintergrund dieser Realitäten feiern wir Ostern. Und nochmal: endlich. Ostern heißt für mich in diesem Jahr 2025: Erstmal stehen bleiben. Anhalten und tief durchatmen. Bei Gott ging es noch nie um höher, schneller, weiter. Nicht um das perfekte Bild. Nicht darum, Dinge ins perfekte Licht zu setzen und schon gar nicht um Ängste und Unsicherheiten, um nur noch Schwarzmalerei. Im Gegenteil: Bei Gott haben alle Gefühle Raum. Alles darf und muss sein. Das zeigen gerade die Tage der Karwoche, die nun endet. In diesen Tagen geht es im wahrsten Sinne des Wortes um alles oder nichts:
Um Sehnsucht und Enttäuschung. Um Liebe und Verrat. Um Mut und Feigheit. Um Sünde und Vergebung. Um Trost und Verzweiflung. Um Traurigkeit und Hoffnung. Um Tod und Leben.
Das alles kommt vor in der Leidensgeschichte Jesu, die der Karfreitag im Kreuz zusammenfasst. Ich glaube, es braucht nicht nur das Wahrnehmen, sondern das Durchleben all dieser Gefühle, damit die Tiefe von Ostern wirken kann. Damit es Ostern werden kann in uns.
Ich weiß, das droht sehr schnell nach frommen Phrasen zu klingen, aber so ist es nicht und war es nie gemeint.
Ostern ist – und das ist jetzt ein Versuch, weil Worte dem kaum gerecht werden können:
Erleichterung.
Sehnsuchtserfüllung.
Hoffnungsort.
Licht – natürlich.
Ein Funke des Friedens, den wir so sehr brauchen.
Auferstehungskraft.
Und eigentlich sind und bleiben alle Worte zu schwach. Maria damals hat dieses einmalige Wunder gesehen, das sie in den Worten zusammenfasst: „Ich habe den Herrn gesehen.“ Auch viel zu schwach eigentlich für dieses nicht beschreibbare Wunder. Stark wird es dadurch, dass vorher alle Gefühle Marias beschrieben werden: Ihre Tränen auf dem Weg zum Grab. Ihr Erschrecken, als sie das Grab offen sieht. Die Engelserscheinung, von der wir nicht wissen, wie sie darauf reagiert. Das dann so sachliche Gespräch. Das so liebevolle Erkennen. Der Trost. Die große Freude Marias am Ende.
Da ist es, das Licht des Ostermorgens. Das Leben siegt. Nicht beschreib- oder erklärbar, sondern nur erlebbar.
Jesus Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja.
Wahrheit?
Gedanken zu Judika 2025
Wahrheit. Das ist für mich der zentrale Begriff des Predigttextes für den Sonntag Judika (Joh 18,28-19,5). Und das ist die Brücke, über die der Text sehr aktuell wird. Deshalb stelle ich die Frage jetzt und hier einfach mal genauso: Was ist Wahrheit? Gleich vorweg: eine eindeutige und abschließende Antwort habe ich nicht. Aber: ich lade Sie und Euch jetzt ein, einmal mit mir darüber nachzudenken: Was ist Wahrheit?
Ich merke: eigentlich möchte ich der Frage ausweichen. Was sind gerade die Fakten? Das könnte ich leichter beantworten. Mit Blick auf unsere Kirche: wir werden weniger. Mitgliederschwund. Relevanzverlust. Um mal zwei Fakten zu nennen. Mit Blick auf die Gesellschaft: Wir leben in der Krise oder: in einer Krise nach der nächsten. Sicherheiten, die bei vor ein paar Jahren noch klar waren, gibt es nicht mehr. Gerade erschüttern uns jeden Tag neue Meldungen aus den USA. Verunsicherung wächst. Und: Vereinzelung nimmt zu. Menschen rücken nicht zusammen, sondern eher weiter auseinander. Der Blick aufs Smartphone ersetzt die direkte Kommunikation. Und in der Folge daraus: die Aufmerksamkeitsspanne sinkt. Zuhören wird schwieriger.
Im Predigttext heißt es, dass Jesus sagt:
„Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.“
Jesus hat immer wieder seine Finger in offene Wunden gelegt. Er hat deutlich gesagt, was schief läuft im Miteinander, auch: in der Politik. Und: Er hat nicht nur gesagt, sondern gelebt, wie es anders sein kann. Besser, liebevoller. Und: getragen von Hoffnung natürlich. Über die Frage, was Wahrheit ist, hat er sicherlich nicht nachgedacht und musste es auch nicht. Er hat die Wahrheit bezeugt, ist gleichzusetzen mit: Er hat die Liebe gelebt bis in die letzte Konsequenz. Also: Diese Wahrheit ist lebendige Realität. Getragen von Gottes Heiliger Geistkraft den Weg gehen, der uns nicht von unseren Mitmenschen wegführt, sondern in die Gemeinschaft mit ihnen. Den Weg, der sicherlich nicht der populärste ist, aber das umsetzt, was von uns als Christenmenschen gefordert ist:
„Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“
Das ist Wahrheit. In unserem christlichen Glauben die, die zum ewigen Leben führt.Aber – und hier erfordert es Mut: dann muss ich immer wieder den Mund aufmachen, wo ich Leben bedroht sehe. Dann muss ich handeln da, wo nicht mehr die Liebe im Zentrum steht. In den Worten des Gebets von Franz von Assisi zusammengefasst:
Herr, mach mich zu einem Werkzeug Deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Das bringt es auf den Punkt.
Darum kann ich nur bitten, denn aus eigener Kraft wird das nicht gelingen. Klar ist: Die Wahrheit, die Jesus bezeugt hat, ist nicht nur eine abstrakte Idee, sondern eine lebendige Realität, die uns herausfordert, unser Leben und unser Handeln immer wieder zu überdenken. In einer Welt, die von Unsicherheit und Krisen geprägt ist, bietet die Wahrheit, die Jesus verkörpert, eine Orientierung und Hoffnung. Liebe ist die Antwort, der Anker, das Rettungsseil. Getragen von dieser Wahrheit sind wir aufgefordert, die Liebe und Gerechtigkeit in unserem täglichen Leben zu leben und zu bezeugen.
Die Menschen damals hatten Angst vor dieser Wahrheit, die nun mal nicht ganz von dieser Welt ist.
Deshalb wurde Jesus gekreuzigt und der Verbrecher Barrabas begnadigt.
Wie ist es heute? Können und wollen wir diese Wahrheit nicht nur hören, sondern danach leben? Eigentlich müsste die Antwort Ja sein. Deshalb Ja, weil wir wissen und glauben, dass Jesu Botschaft eben nicht am Kreuz gescheitert ist. Da ist das Licht des Ostermorgens, das die Wahrheit der Liebe unterstrichen hat. Das Leben siegt über den Tod. Ein für allemal. Mit dieser Botschaft haben wir allem, was wir gerade erleben etwas entgegenzusetzen. Eigentlich.
Sei hier Gast!
Gedanken zu Estomihi 2025
Jesus ist zu Gast bei zwei Schwestern, die ich mir sehr unterschiedlich vorstelle. Maria, die ruhige und sanfte. Und Marta, die laute, geschäftige und aufbrausende. So wirken die beiden jedenfalls in der kurzen Episode. Für Maria ist sofort klar, was zu tun ist: Jesus zu Gast, bei uns. Diese Chance muss ich nutzen. Natürlich lasse ich sofort alles stehen und liegen und höre ihm zu. Das ist doch das Wichtige: Dass mich mir jetzt Zeit nehme. Auch für Marta ist sofort klar, was zu tun ist: So ein besonderer und wichtiger Gast in meinem Haus. Natürlich soll er es besonders schön haben. Ich bin eine gute Gastgeberin, also: schnell noch sauber machen, das Essen muss auf den Herd, etwas zu trinken habe ich ihm auch noch nicht angeboten. Das ist doch das Wichtige: Dass alles schön ist für Jesus und er sich wohl fühlt bei uns.
Maria und Marta. Ganz unterschiedliches Umgehen mit und Reagieren auf einen besonderen Gast. Ich kann beide gut verstehen. Ich kenne beide Impulse. Aber: Was macht es nun eigentlich aus, dieses: Ein*e gute*r Gastgeber*in sein? Für Jesus ist es das Ganz-im-Moment-Sein. „Maria hat das gute Teil erwählt“ – so sagt er. Jetzt ist es einfach nur dran, zuzuhören. Ohne mit den Gedanken schon fünf Schritte weiter zu sein. Ohne darauf zu schauen, was gerade nicht perfekt oder nicht ganz sauber ist. Jesus möchte keine Perfektion, sondern volle Aufmerksamkeit. Jetzt ist die Zeit, zur Ruhe zu kommen und zuzuhören. Das ist das gute Teil und damit tut Maria Jesus den größeren Dienst. Denn sie achtet dabei auch auf sich selbst. Indem sie ganz im Hier und Jetzt ist, genießt sie die Zeit und nimmt diese Zeit mit Jesus als geschenkte Zeit an. Ganz einfach … eigentlich … Ich denke dabei an diesen Text:
Wenn ich schlafe, schlafe ich
Wenn ich aufsteh', steh' ich auf
Wenn ich gehe, gehe ich
Wenn ich esse, eß' ich
Wenn ich schaffe, schaffe ich
Wenn ich plane, plane ich
Wenn ich spreche, spreche ich
Wenn ich höre, hör' ich.
Eigentlich ganz einfach. Aber das ist es, was immer schwerer fällt in unserer Zeit, in der es meist um höher, schneller, weiter geht. Wer nimmt sich da noch die Zeit, ganz im Augenblick zu leben? Zuhören, ohne mit den Gedanken schon wieder ganz woanders zu sein? Die vielen Sorgen und Mühen einfach mal zur Seite schieben und das genießen, was gerade jetzt vor mir liegt. Freuen über Kleinigkeiten. Vielleicht doch ganz einfach, wenn ich einen Gang zurückschalte.
Wir müssen nicht die perfekten Gastgeber*innen sein. Die geschenkte Zeit mit den Freund*innen, mit der Familie zu genießen ist viel wichtiger.
Wir müssen nicht zu allem eine Meinung haben. Erstmal zuhören, in Ruhe, dann abwägen und dann schauen, was das Beste sein könnte, ist viel wichtiger.
Wir müssen nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun, immer in der Angst etwas zu verpassen. Das Handy mal zur Seite legen, die Nachrichten ausschalten und mal nichts tun, ist viel wichtiger.
So wird die Episode von Maria und Marta heute zu einer Erinnerung daran, achtsamer umzugehen mit mir, meiner Zeit, auch meiner Lebenszeit und mit meinen Mitmenschen. Das, was Maria tut, hat ja auch etwas sehr Wertschätzendes: Ich nehme mir jetzt Zeit für dich, schenke dir meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Alles andere kann warten. Und dann ist auch noch Zeit für ein Dankeschön und eine liebevolle Verabschiedung. Denn wenn ich mit allem immer schon fünf Schritte weiter bin, tausend Dinge im Kopf, bloß nichts vergessen oder verpassen – dann geht genau dieses schnell unter: das Dankeschön, mit dem ich dem*der anderen zeige: diese unsere Begegnung, dieses Gespräch hat mir viel bedeutet. Ich hoffe, wir schaffen es – so wie Maria – in nächster Zeit häufiger mal das gute Teil zu wählen und die Sorgen und Mühen dahingestellt zu lassen. Das macht es ein bisschen leichter in dieser gerade nicht leichten Zeit.
Prüft alles
... und behaltet das Gute!
Diese Worte sind uns für das neue Jahr mit auf den Weg gegeben. Auf jeden Fall behalten möchte ich die Worte der Weihnachtsbotschaft: „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“. Wie Maria möchte ich diese Worte in meinem Herzen bewegen und sie dann hervorholen, wenn ich das leuchtende Strahlen des Weihnachtssternes brauche. Die Erinnerung daran, dass die Welt nicht verloren ist. Ich glaube das hilft. Auf dem Weg in und durch das neue Jahr, von dem wir noch nicht wissen, was es bringen wird. Ich möchte versuchen, mit wachem Blick allem zu begegnen, was kommt und genau prüfen, ob es dazu taugt, mitgenommen zu werden auf meiner Lebensreise oder ob es eher störend ist und wegkann. „Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“, so heißt im Märchen und da ist es ganz einfach und eindeutig, was das Gute und was das Schlechte ist. So einfach ist es in unserm Leben leider nicht: Das Gute behaltet.
Erstmal heißt das: bitte genau hinschauen, mitdenken, das Gesagte hinterfragen und kritisch sein, wo es notwendig ist. Und: dankbar sein für jedes Wort, das gut tut und weiterführt. Aber letztlich braucht es einen Maßstab, nach dem ich prüfen kann, was dieses Gute ist. Und diesen Maßstab haben wir. Wenn wir den Anfang der Bibel lesen, den Schöpfungsbericht, lesen wir nach jedem Tag, dass Gott sich sein Werk angeschaut und gesagt hat: „Und siehe, es war sehr gut.“ Das sagt er auch nach der Erschaffung des Menschen. Also: Gott hat es gut gemeint mit dieser Welt. Er hat uns Menschen so gedacht, dass wir gut sind und so schaut er uns weiterhin und immer an: Mit liebevollem Blick, das Gute sehen. Das heißt doch, dass der Maßstab für das Gute die Liebe ist. Und damit schließt die neue Jahreslosung wunderbar an an die Worte, die uns 2024 begleitet haben: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Wenn wir in Liebe prüfen, dann ist klar, was das Gute ist. Und selbstverständlich behalten wir dieses dann. Damit bin ich hoffnungsvoll, dass es ein gutes Jahr 2025 werden kann.
Was hat wohl der Esel gedacht?
Gedanken zum Christfest 2024
„Es begab sich aber zu der Zeit…“. Mit diesen Worten beginnt die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium. Dazu kommt am 1. und 2. Weihnachtstag die etwas andere Weihnachtsgeschichte aus dem Johannesevangelium: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit."
Von beiden Texten geht ein Strahlen, ein ganz besonderes Leuchten aus. Sie haben ganz viel Kraft und machen es ganz hell. Wenn, ja wenn… wenn wir uns nicht so verhalten, wie der Esel in dem Lied von Manfred Siebald: "Was hat wohl der Esel gedacht?":
"Was hat wohl der Esel gedacht in der Heiligen Nacht, als er plötzlich die Fremden sah im Stall? Vielleicht hatte er Mitleid verspürt, hat das Bild ihn gerührt, und er rückte zur Seite, sehr sozial. Vielleicht aber packte ihn die Empörung: Welch eine nächtliche Ruhestörung! Kaum schlafe ich Esel mal ein - schon kommen hier Leute herein.
Und dann lag da vor ihm das Kind, und er dachte: Jetzt sind es schon drei. Was ist das für eine Nacht! Da hält mir das Kind doch zuletzt meine Krippe besetzt. Und er polterte völlig aufgebracht: Ich lasse ja manches mit mir geschehen, doch wenn sie mir an mein Futter gehen, dann ist's mit der Liebe vorbei. Und er dachte an Stallmeuterei."
Das Lied führt uns direkt hinein in den Stall von Bethlehem. Und ich kann mir das sehr gut vorstellen. Nächtliche Ruhestörung für den Esel ohne Vorwarnung. Das Kind wird in seine Futterkrippe gelegt. Wenn es ums Futter geht, verstehen Tiere keinen Spaß, das kenne ich von unseren. Also: der Esel war alles andere als begeistert. Von Idylle keine Spur.
Wie war das bei uns am Heiligen Abend und gestern am 1. Weihnachtstag? Mit diesen Tagen sind viele Erwartungen verbunden. An die Familie. An den Ablauf des Festes: Ein aufwendiges und natürlich leckeres Weihnachtsmenü. Bescherung mit der ganzen Familie. Die richtigen Geschenke, die unseren Lieben Freude machen. Kein Streit bitte, auf gar keinen Fall. Stattdessen: Glänzende Augen, Idylle, ein bisschen heile Welt unter dem Weihnachtsbaum. War das so bei Ihnen und Euch? Ich glaube, das ist ein Idealbild. So ganz klappt das eher selten. Oft sind die Erwartungen zu hoch, so dass eigentlich nur Enttäuschung folgen kann.
Schauen wir auf die letzte Strophe des Liedes vom Esel: "Er wusste ja nicht, wer es war, den die Frau dort gebar, hatte niemals gehört
von Gottes Sohn. Doch wir wissen alle Bescheid und benehmen uns heut noch genau wie der Esel damals schon. Denn Jesus darf uns nicht vom Schlaf abhalten, nicht unseren liebsten Besitz verwalten. Doch wer ihm die Türen aufmacht, der hat jeden Tag Heilige Nacht."
Der Esel hatte nie von Gottes Sohn gehört. Wir schon. Wir wissen alle Bescheid, heißt es. Ja, wir wissen, warum wir Weihnachten feiern.
Wir haben sie gerade gehört, die wichtigen Worte, die Weihnachtsbotschaft: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“
Das ist so viel wichtiger als all unsere Gestaltung des Weihnachtsfestes. Wichtiger als alle Planung und auch wichtiger als alles, was am Heiligen Abend vielleicht schief gegangen ist.
Wirkt sie nach in Ihnen und Euch? Die Weihnachtsbotschaft? Sind unsere Herzen heute erfüllt so wie das von Maria, die alles in ihrem Herzen bewegte? Oder so wie die Hirten, die umkehrten und Gott priesen? Oder ist es doch eher so, wie es in dem Predigttext für heute heißt:
"Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf."
Das könnte Johannes so auch in diesem Jahr 2024 geschrieben haben: Die Welt erkennt ihn nicht. Er kommt in die Welt, die er einst geschaffen hat und muss nun feststellen, dass seine Menschen sich nicht für ihn interessieren. Nicht für seine Botschaft, nicht für sein Licht. Und den meisten geht’s auch ganz gut damit – sonst wären unsere Kirchen sicherlich voller an jedem Sonntag. Den Zauber des Anfangs schauen sich immer noch viele an, an Heiligabend sind unsere Kirchen gut gefüllt. Menschen lassen sich stärken durch die Tradition, vielleicht auch durch den Segen und das gemeinsame Gebet. Gott in meinem Leben und in meinem Herzen aufnehmen, meint allerdings mehr als Heiligabend in die Kirche zu gehen: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden.“
Weihnachten erinnert mich an den Anfang, den Gott immer wieder mit der Welt macht. In diesem Anfang stehen zu bleiben, führt allerdings nicht weiter. Das hilft mir nicht im Alltag und stärkt mich nicht nachhaltig für alles, was kommen wird, in dem Jahr, das vor uns liegt.
Die letzte Zeile des Liedes vom Esel lautet: "Wer ihm die Türen aufmacht, der hat jeden Tag Heilige Nacht."
Das hat was von ganz oder gar nicht. Wenn ich wirklich bereit bin, Jesus in mein Leben lassen, erscheint alles, was ich tue und alles, was mir begegnet, in einem anderen Licht. Jeden Tag Heilige Nacht heißt: Jeder Tag wird überstrahlt von Liebe und Frieden. Damit kann ich dieser Welt, von der ich nicht weiß, wie es mit ihr weitergeht, jeden Tag etwas entgegen setzen. Ich glaube, das brauchen wir heute und für die nächsten Tage und Monate: Die mit Weihnachtsfreude erfüllten Herzen. So viel Freude, Liebe und Optimismus, dass wir uns nicht niederdrücken lassen, gar nicht verzweifeln können an dem, was vielleicht werden wird.
Voller Vorfreude!
Gedanken zum 4. Advent 2024
Zum 4. Advent gehört der große Lobgesang der Maria. Als sie bei ihrer Verwandten Elisabeth zu Besuch ist und ihr von der Schwangerschaft erzählt, stimmt sie ihn an, diesen wunderbaren Gesang. Das ist die Einleitung in das Weihnachtsfest. Der Vorgeschmack sozusagen auf das, was kommt.
Für Maria war klar, was zu tun war in den Tagen vor der Geburt des Gotteskindes. Sie hat diesen berühmten Lobgesang angestimmt, das Magnificat der Maria: „Meine Seele erhebt den Herrn“. Größere Freude als mit diesen Worten konnte damals nicht zum Ausdruck gebracht werden. Tiefere Dankbarkeit auch nicht. Maria war vollkommen erfüllt. Bis in die letzten Winkel ihres Herzens voller Freude. Sie wusste, was und wer kommen würde und natürlich war für sie klar: Die Dankbarkeit dafür gebührt Gott. Maria erkennt. Sie erkennt sich selbst als die Auserwählte Gottes. Sie versteht, was Gott da tut. Und sie blickt sogar schon in die Zukunft: Gottes Barmherzigkeit wird immer Bestand haben.
Das ist eine ganz andere Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, als ich sie gerade erlebe.
Maria nimmt sich selbst ganz zurück. Sie konzentriert sich auf das Wesentliche und erwartet dieses voller Vorfreude. Und ganz wichtig und deshalb betone ich es nochmal: Voller Dankbarkeit. Und wir? Wie war das bei uns in den letzten 21 Tagen, den letzten 3 Adventssonntagen? Wir erwarten sie ja auch, die Geburt des Gotteskindes im Stall von Bethlehem. Wir bereiten uns vor wie Maria…
Aber … und jetzt kommt das große Aber:
Diese stille, dankbare Vorbereitung voller Vorfreude … ich habe den Eindruck, die bekommen wir immer weniger hin.Ich erlebe diese Zeit eher so, dass immer noch gesteigert werden muss. Immer noch einen drauf setzen, immer noch mehr: Mehr Festbeleuchtung. Mehr Stress bei der Suche nach Geschenken. Mehr Hektik in den Städten. Mehr Rituale für diese Zeit. Mehr Termine und Feiern. Kaum noch Zeit zum Durchatmen, stattdessen: mehr und mehr Unzufriedenheit und Gereiztheit. Und ich frage mich: Wo kommt das her, dieses Bedürfnis, alles noch schöner und noch perfekter und noch weihnachtlicher zu machen? Ja, diese vier Wochen im Jahr sind besonders, natürlich. Das müssen sie auch sein, finde ich. Und die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest verbunden mit der Vorfreude gehört dazu. Aber es braucht da nicht noch mehr Ausgestaltung und noch mehr Besonderes. Das führt eher ins Gegenteil, nämlich dass ich irgendwann genervt sage: Ach, wäre Weihnachten doch endlich vorbei, damit wieder normaler Alltag einkehrt. Und genau das ist so schade. Das Weihnachtsfest ist der Höhepunkt all der Vorbereitung. Die Vorfreude steigert sich eigentlich von ganz alleine, da muss ich nicht noch mehr tun. Ich glaube: Hier können wir von Maria lernen. Maria, die sich so ganz anders vorbereitet. Viel stiller und viel zurückgenommener. Ihre Vorbereitung ist ein Dank an Gott.
Das wünsche ich mir für die Adventszeit, für diese letzten Tage vor Weihnachten. Keine zusätzliche Gestaltung mehr. Ein jetzt einfach mal genug sein lassen. Keine Hetze mehr. Sondern: Was jetzt nicht geschafft ist, braucht es auch einfach nicht. Und dann ist es im Blick. Das Wunderbare und das Besondere.
Wenn ich heute Nachmittag alle vier Kerzen am Adventskranz anzünde, werde ich mir Zeit nehmen. Für Stille. Für ein Gebet. Für Nachdenken darüber, wofür ich dankbar bin. Das wird die Vorfreude steigern, mehr als es jede weitere Vorbereitung könnte. Und dann ist es schon fast soweit: der Heilige Abend steht bevor. Für diesen Abend wünsche ich uns offene Herzen, denn und das habe ich schon mehrfach in den letzten Tagen gesagt: Wir brauchen es dringend in diesem Jahr, das Weihnachtsfest. Noch ist Advent, noch könnte Stille sein: dieses zur Ruhe Kommen wünsche ich uns für heute und dabei die wundervollen Worte im Ohr: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.“ Amen.
Wie Schuppen von den Augen
Gedanken zum 12. Sonntag nach Trinitatis 2024
"Vom Saulus zum Paulus" - die Worte sind sprichwörtlich geworden. Saulus war ein Christenverfolger, der dachte, das richtige zu tun. So lange bis ihm Jesus selbst erschienen ist, er blind geworden ist, ihn dann ein Christ als Bruder angesprochen hat. Und Saulus erkennt:
"Was war ich nur für ein Mensch. Blind für die Menschen um mich herum und blind für das, was man Liebe nennt. Als ich als Bruder angesprochen wurde, war das eine tiefe Annahme für mich. Ich habe erkannt: Solche Menschen mit solch einem Glauben darf man doch nicht verfolgen, so einen Glauben darf man doch nicht zerstören."
Saulus ist also ein Licht aufgegangen. Wenn jemand zum Glauben findet, dann ist das so, als ginge ihm, ginge ihr ein Licht auf. Die Dinge, die Welt, alle Erlebnisse und Erfahrungen sehen auf einmal anders aus. Ob wir zu einem Menschen ein gutes, liebevolles Verhältnis haben, wird auf einmal wichtiger als das Gefühl, alles im Griff zu haben und über die nötigen Ellenbogen zu verfügen uns durchzusetzen. Das herzliche Einvernehmen mit unseren Mitmenschen, die gelungene Gemeinschaft in der Familie, in der Nachbarschaft, im Verein ist uns jetzt ein größeres Anliegen als das, sich von den anderen Menschen zu unterscheiden. Das alles macht das Licht des Glaubens. Denn das ist ja nicht irgendetwas Abstraktes, an das wir da glauben, sondern es ist Jesus Christus selbst, der immer wieder von der Liebe gesprochen und Liebe gelebt hat. "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Das ist es, was Saulus über seinem Eifer, Gott alles recht machen zu wollen, vergessen hat. Dafür ist er blind geworden. Hier brauchte es jemanden, der ihm die Augen öffnet, der ihn liebevoll als Bruder anspricht. Dadurch fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Sein Leben nimmt eine Kehrwende. Der Christenverfolger wird zum selbstbewussten und ergriffenen Verkündiger der Liebe Gottes. Mit "Paulus" bekommt er einen neuen Namen. Mir fällt es immer dann wie Schuppen von den Augen, wenn ich die Augen öffne und micht freuen kann an dem, was um mich herum geschieht und mich nicht ärgere über das, was meiner Meinung nach anders laufen müsste, wenn die Liebe das erste und das letzte Wort hat.
Lebt als Kinder des Lichts
Gedanken zum 8. Sonntag nach Trinitatis 2024
Dieses gehört zu meinen Lieblingsworten in der Bibel: „Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Eine Aufforderung, die mir Kraft gibt. Nicht das tun, was vermeintlich alle tun. Anders handeln. So handeln, wie es unserem christlichen Glauben entspricht. Und ja, dann schaue ich anders auf diese Welt, auf unser Land, auf unser Miteinander. Wenn ich die Aufforderung ernst nehme, wenn ich versuche, als Kind des Lichts zu leben, dann muss ich vielem, was gerade geschieht, etwas entgegen setzen. Dann muss ich deutlich sagen, dass nicht Hass, sondern Liebe die Antwort ist. Dass unser Miteinander Offenheit, Respekt und Toleranz braucht. Dass Wärme und Wertschätzung viel mehr bewirken als Vorschriften und optimierte Arbeitsabläufe. Ein Leben als Kind des Lichts bedeutet, dass es mich interessiert, wie es meinen Mitmenschen geht. Wenn ich mit einem Lächeln und offenen Händen auf mein Gegenüber zugehe, beende ich nicht die Kriege auf dieser Welt. Ich löse damit nicht das Problem des Klimawandels. Vielleicht beende ich noch nicht einmal einen Streit. Aber mit einem Lächeln und mit Offenheit mache ich diesen einen Moment und vielleicht sogar den ganzen Tag ein bisschen heller. Und dann ist schon soviel gewonnen. Denn es ist eine Frage der Einstellung, wie ich jeden Tag beginne und meinen Lebensweg gehe. Ich kann immer nur das Schlechte und Negative sehen und mich damit immer weiter runterziehen lassen. Oder ich versuche, aus allem das Beste zu machen und selbst dazu beizutragen, dass Gutes geschieht. Die Erinnerung daran brauche ich immer wieder. Also: Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht ist ein starkes Symbol für Stärke, Mut und Trost. In der Bibel steht es für Jesus Christus selbst: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Mit diesem Licht meines Lebens schaffe ich es, immer wieder Licht weiterzugeben und den Mut nicht zu verlieren. Das wünsche ich uns für dieses Wochenende, für die nächsten Tage!
Einfach mal zufrieden sein
Gedanken zum 7. Sonntag nach Trinitatis 2024
"Die ganze Gemeinde rebellierte gegen Mose und Aaron" - mit diesen Worten beginnt der Bibeltext für heute. Diese Unzufriedenheit kenne ich gut. Da ist jemand, bei dem ich mich beschweren kann, über die aktuelle Situation. Darüber, dass ich gerade so viel zu tun habe. Darüber, dass gerade nicht die Sonne scheint. Darüber, dass ich nicht das tun kann, was ich geplant hatte. Und natürlich auch über die aktuelle Weltlage. Ich glaube manchmal, uns Menschen fällt es schwer, zufrieden zu sein. Beschweren ist viel einfacher. Seine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen und das am besten noch mit den Worten: Daran bist aber Du Schuld, oder die Politik, oder das Wetter, oder wer auch immer. Ich habe das ja nicht zu verantworten, sondern der oder die oder der da oben. In dem Bibeltext reagiert Gott selbst auf die Unzufriedenheit der Israeliten: Er verspricht ihnen Fleisch und Brot, sorgt also für ihre Grundbedürfnisse. Allerdings bekommen sie nicht die Fülle, sondern tatsächlich nur so viel, wie genügt, damit sie satt werden. Und das finde ich das Spannende an der Erzählung: Auf einmal beschwert sich niemand mehr. Die Israeliten sammeln ein, was sie bekommen. Sie halten sich daran, nur so viel einzusammeln, wie sie zum Leben brauchen. Sie schauen nicht darauf, was die anderen haben, sondern sind mit ihrem Eigenen zufrieden. Da ist keine Angst, zu kurz zu kommen, kein Neid, keine Missgunst. Da ist pure Freude über das Wunder vom Himmel. Diese pure Freude wünsche ich mir. Freude über das Gute, das ich bekomme. Ohne sofort zu vergleichen mit anderen. Freude darüber, dass es mir gut geht und ich genug zum Leben habe. Das ist doch mal eine gute Challenge: Mehr Zufriedenheit im Leben. Nicht darauf schauen, was fehlt, sondern darauf, was ich habe. Nicht darauf schauen, was schief läuft, sondern auf das Gute und Gelingende.
Amen.
Trotzdem Taufe - Trotzdem Hoffnung
Gedanken zum 6. Sonntag nach Trinitatis 2024
Meine Taufkerze steht immer noch bei mir zuhause im Regal. Bei jedem Umzug habe ich sie sehr sorgfältig eingepackt und in jeder neuen Wohnung einen besonderen Platz für sie ausgesucht. Immer wenn ich sie anschaue, erinnere ich mich daran, dass ich getauft bin. Nicht als Baby, sondern mit 13 Jahren, kurz vor meiner Konfirmation. Ich hatte eine sehr schöne Tauffeier, damals auf unserer Konfirmandenfreizeit. Da wurde ich gemeinsam mit zwei anderen Jugendlichen getauft und habe dazu diese besondere Taufkerze bekommen. Eine der Konfirmandinnen hatte sie für mich gestaltet, mit meinem Namen darauf und dem Taufdatum: 26. Februar 1994. Gebrannt hat sie dann nur dieses eine Mal bei meiner Taufe, als sie mit den Worten angezündet wurde: „Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Diesen Bibelvers hatte ich mir auch als Taufspruch ausgesucht, ohne zu wissen, dass er bei jeder Taufe gesagt wird. Ich wusste damals übrigens noch nicht, dass ich einmal Theologie studieren würde, Pfarrerin werde und selbst Kinder und Jugendliche taufen würde. Und nun zünde ich bei jeder Taufe die Taufkerze für den Täufling mit diesen Worten an: „Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt.“ Dabei denke ich dann immer auch ganz kurz daran, dass ich getauft bin. Diese Erinnerung an die eigene Taufe ist mir wichtig. Ich erinnere mich damit daran, dass mein Leben unter Gottes Segen steht. Gottes Segen stand am Anfang und Gott wird mich mit seinem Segen begleiten. Er ist da, auch wenn ich seine Begleitung nicht immer spüre. Auch wenn ich Fragen habe. Wenn ich zweifle. Wenn ich nicht verstehe, warum eine von Gott gehaltene Welt so aussieht, wie sie gerade aussieht. Taufe ist auch ein Trotzdem. Auch gegen allen Anschein vertraue ich auf Gott und stelle immer wieder Leben unter seinen Segen. Das heißt: Da ist in jedem Fall eine Hoffnung, die mich trägt. Auch wenn ich sie nicht immer gut in Worte fassen kann. Auch wenn es Tage gibt, an denen der Zweifel die Oberhand hat. Trotzdem Hoffnung.
Amen.
Glaube hat mit Aufbruch zu tun
Gedanken zum 5. Sonntag nach Trinitatis 2024
„Ich suche jemanden für ein Abenteuer!“ So fangen die großen Geschichten an: jemand klopft an die Tür, erzählt von einem verborgenen Schatz, von einer entführten Prinzessin, von einer anderen großen, herausfordernden Aufgabe, und ein paar Tage später macht sich ein unerfahrener, kleiner Held auf die Reise, ein junger Ritter, ein noch furchtsamer Krieger, ein zögernder Entdecker oder auch nur ein Hobbit, um Drachen zu jagen, Piraten zu überlisten oder böse Zauberer zu bekämpfen. Meistens eher widerwillig verlassen sie ihre Höhle, ihre Unterkunft, ihre Burg, in der sie sich sicher gefühlt haben, und machen sich auf den Weg in die ferne Fremde, wo Unerwartetes auf sie wartet, Dinge, auf die sie sich nicht vorbereitet haben… Während der Reise entwickeln sie sich.
„Geh!“ – Abraham fühlte sich von Gott angesprochen: "Geh! Verlasse, was Du hast, was die vertraut ist, was dich dein ganzes Leben lang umgeben hat. Verlasse deine Gewohnheiten, die festen Mauern, die dich schützen, die dich aber auch einengen und beschränken. Ich suche jemanden für ein Abenteuer. Bist Du es? Mach dich auf und geh! Ich werde bei dir sein, denn ich bin der Gott, der mit geht."
Wer seinen Kinderglauben verloren hat, wer sich aufgemacht hat aus dem Haus des Vaters, sucht immer weiter nach einem Ort, den er „Daheim“ nennen kann.
Zu dem Abenteuer Glauben, auf dass wir alle uns einmal eingelassen haben, gehört etwas ganz Wichtiges. Etwas, das mich immer wieder stärkt auf meinem Weg und in meinem Vertrauen zu Gott. Diese Stärkung auf dem Weg ist der Segen Gottes. Deshalb gehört der Segen zu allen wichtigen Lebens- und Glaubensstationen: Taufe. Konfirmation. Trauung. Auch: Beerdigung. Und eben auch an den Beginn einer Reise. Als Reisesegen ist der Segen Stärkung für den Weg und Vergewisserung, dass ich gut ankomme und heile zurückkomme. Segen tut gut. Immer wieder. Das Abenteuer Lebensreise bleibt dann immer noch ein Abenteuer, aber ein begleitetes. Das kann ich von Abraham lernen. Weil er sich dessen sicher war, hat er sich auf den Weg gemacht. Gottvertrauen. Segen. Beeindruckend.
Amen.
Alles, was ihr tut
... soll voller Liebe sein!
Jedes neue Jahr steht unter einer Überschrift. Zufällig ausgewählt. Die sogenannte Jahreslosung. Für 2024 lautet sie: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ (1Kor 16,14) Eine eindeutige Aufforderung an jede*n von uns: Lass den Ursprung deines Handelns Liebe sein. Denke darüber nach, was du tun möchtest, und ob wirklich Liebe die Motivation ist, aus der heraus du handelst. Damit wird alles Handeln in Frage gestellt. Und ja, wenn ich die Worte ernst nehme, wird manche Handlung unmöglich. Denn – ganz ehrlich – Liebe ist nicht die Motivation all meines Handelns. Vieles geschieht einfach aus Pragmatismus. Einiges auch unüberlegt. Manches auch leider ungewollt oder ohne ausreichend über alle Konsequenzen nachgedacht zu haben. Die Jahreslosung macht da keine Kompromisse: Ausnahmslos alles soll in Liebe geschehen. Ein ziemlich hoher Anspruch also. Trotzdem glaube ich: Kein unmöglicher Anspruch. Möglich dann, wenn ich eines mitdenke: Von Gott selbst heißt es: „Gott ist die Liebe. Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“ Gott hat selbst die Liebe in unser Herz gelegt. Wir können eigentlich gar nicht anders, als aus dieser Liebe heraus zu handeln und diese Liebe alles bestimmen zu lassen. Denn: Ich muss mich dazu gar nicht anstrengen. Ich muss nicht versuchen, einen schwer zu erfüllenden Anspruch zu erfüllen, nein, ich muss mich einfach nur leiten lassen. Von dem Gott, an den ich glaube. Der Glaube ist also die Voraussetzung. Die Liebe ist dann einfach Geschenk. Und dann geschieht alles, was ich tue, in Liebe. Ich kann ja gar nicht anders.
Deshalb nehme ich mir dies für 2024 vor:
Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann ist Liebe die Antwort.
Wenn mir Motivation fehlt, dann ist Liebe die Antwort.
Wenn ich nicht weiß, wie ich etwas beginnen soll, dann ist Liebe die Antwort.
Wenn mir Ablehnung begegnet, dann ist Liebe die Antwort.
Wenn ich etwas tun muss, bei dem ich mir nicht sicher bin, wie es wird, dann ist Liebe die Antwort.